Unternährung - präsent im Nutre Hogar

Abidiel am 14. März (li) und am 2. März (re) Quelle: Flor
Abidiel am 14. März (li) und am 2. März (re) Quelle: Flor

 

Innerhalb der letzten 15 Tage haben wir vier neue Kinder im Nutre Hogar aufgenommen, den man allen sofort die Unterernährung ansieht. Die beiden Jungen Abdiel und Yuriel, die zwischen 16 und 19 Monate alt sind, die kleine Yaneth, die mit einer Behinderung geboren wurde, und seit zwei Tagen ist auch der 15 Monate alte Yoni bei uns. Miss Jolly, die Krankenschwester des Nutre Hogar, hat mir heute gesagt, dass sie Yonis Mutter nicht glaubt, er würde sich jeden Tag von „sopa de banano“ (Bananenbrei) ernähren, da er sich dann trotz allem in einem besseren Stadium befinden müsste. Vielleicht bekommt er Kaffee? (Was anscheinend keine Seltenheit ist…) Miss Jolly erzählt uns, dass sie in Theobroma, einem Dorf in der Nähe, von Haus zu Haus gelaufen ist und die Mütter gefragt hat, was sie ihren Kleinkindern zu essen geben und laut der Krankenschwester kam meistens die Antwort: Eine Banane morgens, eine mittags und eine abends. Und letztendlich wurde kein einziges Kind aufgrund von Unterernährung mit ins Nutre Hogar genommen. Daher glaubt die Krankenschwester nicht, dass der kleine Yoni, der mit 15 Monaten nur 6 kg, anstatt 9,5-10kg wiegt, jeden Tag mit Bananenbrei ernährt wurde (bzw. wenn doch, dann nicht viel). Mit meinem Zeigefinger kann ich den Oberarm des Jungen umfassen (mein Zeigefinger schließt die Umrahmung am Daumengrundgelenk) – ich erinnere mich zurück an den Vortrag von „Ärzte ohne Grenzen“ während meines Praktikums im Bundestag, bei dem ein Messband, mit dem man durch Messung der Oberarme Kinder auf Unterernährung untersucht, durch die Reihen ging.

Mich hat das alles ganz schön zum Nachdenken gebracht und ich habe nochmal nachgefragt: Yonis Mutter hat ihren Sohn anscheinend 12 Monate lang mit Muttermilch ernährt, in diesem Zeitraum tritt die Unterernährung nicht ein, so Miss Jolly. Das heißt, dass sich in nur 3 Monaten, einem so kurzen Zeitraum, der Gesundheitszustand eines Kindes so drastisch verschlechtern kann, und die Mutter, die Eltern, die Familie sieht dabei zu? – für mich in dem Moment irgendwie unfassbar… Die gute Nachricht ist jedoch, wie schnell die Kinder auch wieder erstarken können. Die Bilder von Abdiel, die man oben sehen kann, wurden am 02. Und am 14.03.2018 von Flor aufgenommen, welche sie gleich in eine Collage verarbeitet hat.

Yuriel am 11. März (li) und am 2. März (re) Quelle: Flor
Yuriel am 11. März (li) und am 2. März (re) Quelle: Flor

Auch das Essverhalten der neu dazu gekommenen Kinder verrät oft einiges über ihre vorherigen Ernährungsverhältnisse: Als ich Yoni mit dem Mittagessen gefüttert habe, ist ihm das Essen immer wieder aus dem Mund gefallen, weil er seine Zunge immer mit rausgestreckt hat. Wahrscheinlich hat er davor sein Essen nicht jeden Tag mit einem Teelöffel bekommen. Allerdings kann es auch sein, dass es an der Behinderung liegt, die Yoni vermutlich hat: er hat große, tiefsitzende Ohren, der Mund steht meistens offen, die Augenlider hängen leicht und er ist nicht so aktiv wie die anderen Kinder. Auch Abdiel scheint das Essen mit einem Löffelchen nicht gewohnt zu sein, es scheint mir ein Automatismus zu sein, dass er die Hände „zur Hilfe“ an, bzw. in den Mund nimmt. Andrea sagte wie sie sich vorstelle, dass er davor zuhause in der Ecke sein bisschen Reis, Banane -was auch immer- auf seinem Stühlchen oder gar auf dem Boden mit den bloßen Händen gegessen hat. So oft wie Abdiel inzwischen nach Essen schreit, es scheint als hätte er eine innere Uhr, die ihm Bescheid gibt, wann die nächste Zwischenmahlzeit kommt, frage ich mich, wie es wohl zuhause war, wo er im Gegensatz zum Nutre Hogar so gut wie nichts bekommen hat …

Ich kann mir vorstellen, dass man sich beim Lesen dieses Textes die Frage stellt, wie man es bei seinem Kind so weit kommen lassen kann, ob die Kinder denn keine Liebe und Aufmerksamkeit erhalten? Als ich eines Mittags Abdiel und Yuriel, welche sich ein Zimmer teilten, gefüttert habe, stoß die Mutter von Yuriel dazu, die dann ihren Sohn gefüttert hat. Sie fragte mich nach der Mutter von Abdiel und ich sagte ihr, dass sie nicht oft kommt (ich habe sie noch gar nicht getroffen) und habe versucht das damit zu begründen, dass die Mutter vielleicht einen lang Weg hat etc. Yuriels Mutter hat es jedoch direkt angesprochen, dass es für die Mutter vielleicht nicht sehr wichtig ist, im Gegensatz zu ihr selbst, die mindestens alle 2/3 Tage kommt, um ihren Sohn zu sehen. Sie sagt, sie mache sich Sorgen um ihr Kind und fragt mich, wie er sich verhält, wenn sie nicht da ist. Beatriz‘ Mutter kommt auch jede Woche und bringt oft auch die große Schwester (3 Jahre) mit, die zusammen mit Beatriz ins Nutre Hogar gekommen ist, inzwischen aber wieder zuhause ist. Die meisten Kinder freuen sich auch immer riesig ihre Mama wieder zu sehen, können wieder ausgelassen lachen und schlafen in deren Armen unbesorgt ein.

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Kommentare: 2
  • #1

    A.+V. (Sonntag, 18 März 2018 19:41)

    Lb. Paula,
    Es ist traurig und schmerzlich, was es alles so gibt, und das unter
    e i n e m Himmel!
    Deine, A+V.

  • #2

    Clara (Dienstag, 17 April 2018 20:21)

    Diese Zeilen machen mich sehr traurig und nachdenklich.
    Es ist furchtbar, dass die kleinen in dem Alter schon Hunger erfahren mussten und es ist wunderbar, dass es Nutre Hogar gibt und ihr ein Auge auf die Kleinen habt.
    Vor allem bin ich aber gerade so schockiert, was für Welten zwischen deinem und meinem Projekt liegen. Bei mir im Kindergarten schmeißen wir täglich Essen weg, da viele Eltern auch viel zu viel einpacken. Die Kinder haben fast alle immer frisches Obst dabei, Brote oder frittiertes Hühnchen und meistens auch eine kleine Packung Kekse und Säfte. Es ist viel mehr als sie jemals an einem Morgen essen könnten.
    Es ist Wahnsinn, dass wir beide im selben Land sind, Paula, aber es jeden Tag so unterschiedlich erleben.
    Danke, dass du uns einen Einblick gibst. �